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Sittenwidriger Einheitspreis für Mehrmengen

03. Juni 2009

Autor: Dipl.-Wirtschaftsjur. (FH) Oliver Andreas Braun | CARNEADES NEWS (Claim Management)

Steht der nach § 2 Nr. 3 Abs. 2 oder § 2 Nr. 5 VOB/B neu zu vereinbarende Einheitspreis für Mehrmengen in einem auffälligen, wucherähnlichen Missverhältnis zur Bauleistung, kann die dieser Preisbildung zugrunde liegende Vereinbarung sittenwidrig und damit nichtig sein (BGH, Urteil vom 18.12.2008, VII ZR 201/06).

Die Klägerin verlangte vom Beklagten Restwerklohn. Dabei ging es in dem vom BGH zu entscheidenden Fall nur noch um den Werklohn für Mehrmengen.

Die Beklagte beauftragte die Klägerin mit Tiefbauleistungen unter Einbeziehung der VOB/B und auf Grundlage ihres Leistungsverzeichnisses. Die Klägerin bot der Beklagten ihre Leistung zu einem Einheitspreis an, der sich im Nachhinein als 894fach über dem bundesweit ermittelten, statistisch, angemessenen Einheitspreis liegend entpuppte.

In dem konkreten Fall ging es jedoch nicht direkt um den Einheitspreis. Dieser dient in den Fällen des § 2 Nr. 3 Abs. 2 oder § 2 Nr. 5 VOB/B lediglich als Grundlage zur Ermittlung des Einheitspreises für die über 110 % hinausgehende Menge. Und um diese Vereinbarung ging es in dem zu entscheidenden Fall.

Diese Vereinbarung ist nach Ansicht des BGH als sittenwidrig anzusehen, da als Grundlage der Ermittlung des neuen Einheitspreises ein sittenwidriger Preis herangezogen werden soll.

Sittenwidrig, nach § 138 Abs. 1 BGB, ist ein Preis, wenn er gegen die guten Sitten verstößt und damit gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden. Grundsätzlich gilt bei Verträgen zwischen Kaufleuten, dass allein auf der Grundlage eines Missverhältnisses zwischen Preis und Leistung nicht auf ein grobes Missverhältnis geschlossen werden kann.

Jedoch war für den BGH hier entscheidend, dass bei einem Bauvertrag Besonderheiten zu anderen Verträgen bestehen. Die Vereinbarung eines außerordentlich überhöhten Einheitspreises für Mehrmengen fußt auf der Vereinbarung eines außerordentlich überhöhten Einheitspreises in dem zugrunde liegenden Leistungsverzeichnis. Und dieser Einheitspreis wurde in einer bewusst spekulativen Absicht angeboten, die Klägerin hoffte auf eine Mengenmehrung und in Folge dessen auf einen hierfür zu vereinbarenden, ebenfalls überhöhten, Einheitspreis der auf Seiten der Beklagten nur zu nicht eingeplanten Mehrkosten führt und dafür keinerlei entsprechende Gegenleistung bietet.

Dabei kam es für den BGH auch nicht darauf an, dass im Ausgleich für den weit überhöhten Einheitspreis an anderer Stelle der angebotenen Leistung ein niedrigerer Preis angeboten wurde. Denn es kam allein auf den in Rede stehenden Einheitspreis an und dessen Ermittlungsgrundlage. Der BGH machte somit deutlich, dass es für die Frage der Sittenwidrigkeit allein auf den jeweiligen Einheitspreis ankommt.

Der neue Einheitspreis für die Mehrmengen war daher als sittenwidrig anzusehen, weil ein auffälliges wucherähnliches Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bestand und auch eine verwerfliche Gesinnung, eben die Spekulation auf die Mengenmehrung, des Begünstigten angenommen werden konnte.

In Folge dessen war die Beklagte nicht dazu verpflichtet den auf der Grundlage des alten Einheitspreises zu ermittelnden neuen Einheitspreis für die Mengenmehrung zu bezahlen. Da aber sowohl Klägerin als auch Beklagte eine entgeltliche Leistung vereinbaren wollten, ist der übliche Einheitspreis nach § 632 Abs. 2 BGB als vereinbart anzusehen.

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